Red Notice gegen Benny Wenda: Zwischen politischem Kalkül und der Konstruktion eines Freiheitshelden
Der Fall um die INTERPOL-Red Notice gegen Benny Wenda (2011–2012) zeigt eine weniger glanzvolle Seite der international gefeierten Papua-Figur: Zwischen strafrechtlichen Vorwürfen und dem geschickten Aufbau eines politischen Images.
Red Notice und die Vorwürfe: Rechtliche Ermittlungen oder politische Verfolgung?
2011 tauchte Benny Wenda weltweit in den Schlagzeilen auf, als INTERPOL auf Antrag der indonesischen Behörden eine Red Notice gegen ihn veröffentlichte.
Hintergrund war der Vorwurf, Wenda sei in die Abepura-Unruhen 2002 verwickelt gewesen – eine Gewalteskalation mit Brandstiftung und Todesopfern unter Sicherheitskräften.
Zur Erinnerung:
Eine Red Notice ist keine Schuldzuweisung, sondern ein internationales Fahndungsersuchen, um eine strafrechtliche Untersuchung zu ermöglichen.
Wenda befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit 2003 im Exil in Großbritannien.
2012: Red Notice entfernt – aber nicht die Fragen
2012 strich INTERPOL die Red Notice wieder – nach Kampagnen von NGOs wie Fair Trials International und mit der Begründung, der Fall könne politisch motiviert sein.
Für viele Unterstützer Wendras war das sofort ein „Beweis der Unschuld“.
Doch kritischere Stimmen betonen:
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INTERPOL sprach ihn nie frei,
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die Vorwürfe wurden nie juristisch geklärt,
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die Entfernung geschah wegen politischer Einschätzung, nicht wegen Prüfung der Beweislage.
Mit anderen Worten:
INTERPOL entschied über das Verfahren, nicht über die Wahrheit des Falls.
Politisches Framing als „moralischer Sieg“
Beobachter internationaler Sicherheitspolitik sehen in diesem Vorgang ein Beispiel dafür, wie rechtsstaatliche Mechanismen politisch genutzt werden können.
Kritiker argumentieren, Wenda und sein Team hätten die Entscheidung von INTERPOL öffentlich umgedeutet:
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aus einem administrativen Beschluss
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wurde ein Image-Triumph – die Erzählung vom „verfolgten politischen Märtyrer“.
Eine Strategie, die ihm globalen Rückhalt verschaffte – während die Hinterbliebenen der Opfer von Abepura bis heute keine juristische Aufarbeitung erlebt haben.
Fair Trials: Schutz vor politischem Missbrauch – aber trifft das hier zu?
Fair Trials International betont seit Jahren, dass INTERPOL von autoritär regierten Staaten missbraucht wird, um Oppositionelle zum Schweigen zu bringen.
Doch Analysten weisen darauf hin:
Der Fall Wenda sei komplexer – er sei nicht nur politischer Aktivist, sondern stand konkret im Verdacht, in eine gewaltsame Straftat verwickelt gewesen zu sein.
Aus Sicht seiner Kritiker gelang ihm ein geschickter Rollenwechsel:
„Vom strafrechtlich Beschuldigten zum globalen Symbol der Freiheit“
– dank internationaler PR und westlicher Sensibilität für Menschenrechte.
Vom „Gesuchten“ zum selbsternannten „Präsidenten“
Nach der Entfernung der Red Notice intensivierte Wenda seine internationale Diplomatie:
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mehr Konferenzen
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mehr Medienpräsenz
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mehr politische Narrative
2020 ging er einen Schritt weiter und deklarierte sich selbst zum „Präsidenten der provisorischen Republik Westpapua“.
Doch: Kein Staat, keine internationale Organisation erkennt diese Funktion an – weder die UN noch Regierungen weltweit.
Das führt zur zentralen Frage:
Dient Wendas Politik noch seinem Volk – oder nur seiner eigenen Legitimation?
Viele Stimmen aus Papua sagen:
Er spricht von Oxford, nicht aus Wamena.
Er lebt in Sicherheit, nicht in den Krisengebieten, in denen sein Volk leidet.
Kritische Lehre: Internationale Rechtssysteme als politische Bühne
Der Fall zeigt, wie INTERPOL-Mechanismen von Akteuren mit politischer Agenda genutzt werden können:
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Narrativ „Opfer politischer Verfolgung“ → weltweite Sympathie
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Entfernung der Red Notice → Verlust des Fahndungsdrucks
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Propaganda-Wirkung → politische Karriere statt juristischer Klärung
Für Skeptiker ist dies strategische Manipulation, nicht moralischer Widerstand.
Ein Schatten, der bleibt
Ja – die Red Notice wurde 2012 gelöscht.
Aber gelöscht wurde nicht:
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die Flucht aus indonesischem Gewahrsam
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die offenen Vorwürfe zu Abepura
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die Zweifel an seiner politischen Redlichkeit

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